Insolvenz zieht großes Presseaufsehen nach sich
Daniel Richter, 22.04.2009
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KFV-Präsident bedauert Entwicklung bei Dessau 05
Barth sieht im Nachwuchs die neue Chance
Detlef Barth, Präsident des KFV.
DESSAU/MZ/FHA. Die Insolvenz und der damit wohl verbundene Zwangsabstieg von Dessau 05 aus der Fußball-Verbandsliga sorgen auch noch Tage danach für Gesprächsstoff. Die Folgen der Entwicklung beschäftigen auch Detlef Barth, den Präsidenten des Kreisfachverbandes Fußball Anhalt.
"Natürlich ist das traurig", sagt er, "aber ich sehe das auch relativ emotionslos." Barth erinnert an den ähnlich gelagerten Fall des FC Anhalt Dessau, der ebenfalls in den Strudel wirtschaftlicher Nöte geriet und schließlich von der Bildfläche verschwand. "Damals war keiner da, um diesem Verein zu helfen", spielt Barth auf die 35 000 Euro-Finanzspritze der Dessau Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft an, mit der ein Insolvenzverfahren überhaupt erst möglich und mit der eine drohende Liquidierung des Vereins verhindert wurde. "Es ist schön, dass die DVV hilft, wenn ich an die tolle Nachwuchsarbeit bei 05 denke, die dort seit Jahren geleistet wird", sagt Barth.
Genau in dieser sieht der KFV-Präsident auch die Basis für einen Neuanfang des Vereins. "Es ist eine einmalige Chance, mit eigenem Nachwuchs ein neues Team in der Landesliga aufzubauen. Auch wenn es vielleicht zwei oder drei Jahre dauert, ehe die Verbandsliga wieder ein Thema wird", so Barth, der natürlich auch das Problem sieht, dass den leistungsstärksten Talenten künftig aber ein perspektivisches Ziel in Dessau-Roßlau fehlt. Barth befürchtet eine Abwanderung zu den etablierten Vereinen der Region, wie Piesteritz, Sandersdorf oder Wolfen.
Das mit dem Zwangsabstieg von 05 eine Stadt wie Dessau-Roßlau praktisch in der fußballerischen Bedeutungslosigkeit verschwindet, ficht Barth nicht an. "Wir waren im Land hinter dem Halleschen FC und dem 1. FC Magdeburg doch sowieso nur das fünfte Rad am Wagen", zuckt er mit den Schultern.
Die Clubs aus Halle sehen durch den Rückzug des Konkurrenten eine enorme Wettbewerbsverzerrung
Dessaus Insolvenz bringt andere Klubs ins Straucheln: Marco Krause (li.) im Duell mit Nico Stein (VfL).
HALLE/MZ. Im Stadion am Zoo zieht Torsten Weber seine Übungseinheiten durch. Freistöße, taktische Varianten - der Trainer des VfL 96 bereitet seine Elf auf die Verbandsliga-Begegnung am Samstag gegen den TSV Völpke vor. Bis Dienstag war dies das Spitzenspiel der sechsten Liga zwischen dem Ersten und dem Zweiten. Am Mittwoch, nachdem durch die Insolvenz von Dessau 05 die Partien gegen die Muldestädter vom Fußball-Landesverband aus der Wertung genommen worden sind, ist es nur noch das Spiel zwischen dem Ersten und dem Sechsten der Tabelle.
Der VfL 96 und Völpke sind die Hauptverlierer der Dessauer Insolvenz. "Wir haben sechs erkämpfte Punkte verloren. Das ist Wettbewerbsverzerrung", sagt VfL-Vizepräsident Karsten Slansky. "Wir müssen jetzt weiter punkten, um Eisleben und Sandersdorf auf Distanz zu halten. Sportlich fairer wäre gewesen, Dessau hätte wie Regionalligist Sachsen Leipzig die Saison zu Ende spielen können."
So verärgert Slansky ist, so sehr weiß er, wie schnell ein Verein in finanzielle Probleme geraten kann. "Wir arbeiten beim VfL sehr solide. Aber wenn zwei oder drei größere Sponsoren wegbrechen, würden auch wir Probleme kriegen." Zur Erinnerung: 2001 zog sich der VfL 96 nach Ende der Saison aus wirtschaftlichen Gründen freiwillig aus der Oberliga zurück. "Jeder Klub muss heutzutage gut überlegen, wie weit er sich aus dem Fenster lehnt. Offiziell ist ja der Fußball in der Verbandsliga Amateursport", warnt Slansky, der mit seinem Verein weiter für die Oberliga plant, vor finanziellen Abenteuern. "Aber leider gibt es immer wieder Fälle von Harakiri."
Lutz Schülbe, der Präsident des BSV Ammendorf, kann sich darüber freuen, dass sein Verein vom Dessauer Aus profitiert (siehe Text rechts). "Auch wenn es für die Anhänger des SV 05 traurig ist, dass ihr Verein in solch eine Lage geraten ist. Eine andere Lösung als die jetzige war für den Landesverband nicht möglich", sagt der ehemalige Spieler von Dynamo Dresden und des HFC. "Ich arbeite in diesem Geschäft seit zehn Jahren. Und wenn ich sehe, welche Gelder in Klubs wie Dessau 05, Lok Stendal oder auch Wimmelburg geflossen sind, da wundere ich mich nicht über die folgenden Probleme." Schülbe plädiert für "realistischere Etats. Wenn ich einen Spieler hole, muss ich auch wissen, dass ich ihn bis zum Saisonende zu bezahlen habe." Was die neue Tabellenposition (11.) betrifft, ist der BSV-Chef glücklich. "Jetzt stehen wir da, wo wir eigentlich hingehören, also nicht in der Abstiegszone. Wir haben zuletzt vier Spiele nicht verloren. Jetzt müssen wir bei Preussen und in Amsdorf nachlegen." Und er fügt hinzu: "Nächste Saison wollen wir oben mitspielen." Die Planungen dafür sind längst im Gange.
Kaum betroffen von Dessaus Abstieg ist der HFC II. "Mir tut es leid um Spieler und Trainer, die für Sünden der Clubführung aus der Vergangenheit bestraft werden", sagt Coach Brian Moschke. Seine Mannschaft wolle aus der veränderten Situation, die auch er in die Kategorie Wettbewerbsverzerrung einordnet, sportliches Kapital ziehen "und Sandersdorf, den VfL und Eisleben noch herausfordern".
Zwangsabstieg des SV Dessau 05 macht aus Union Sandersdorf einen der Gewinner
Union gibt sich nicht den Träumen hin
Olaf Schaller will sich keinen Träumen hingeben.
SANDERSDORF/MZ. Die Insolvenz des SV Dessau 05 und deren Folgen: Annullierte Punkte, eine bereinigte Verbandsligatabelle und ein nicht mehr souveräner Spitzenreiter VfL Halle 96. "Ich weiß noch gar nicht wie sich das auf die Tabelle auswirkt", verkündete Olaf Schaller noch am Sonntag. Gerade hatte Union Sandersdorf mit 1:0 in Stendal gewonnen, sich damit sogar auf Rang drei verbessert - allerdings erst nachdem alle Spiele mit Dessauer Beteiligung aus der Wertung genommen wurden. "So ein Rückzug mitten in der Saison hat immer einen bitteren Beigeschmack", weiß auch Verbandspräsident Werner Georg, "es gibt immer Gewinner und Verlierer, wenn die Punkte aus der Wertung genommen werden."
Zu den Profiteuren dieser neuen Situation zählt ganz klar Union Sandersdorf. Ärgerte man sich in der Hinrunde noch über die unnötige 0:2-Niederlage in der Muldestadt, so ist sie jetzt ein Gewinn.
Anders als beispielsweise der VfL 96 Halle und der TSV Völpke, die nun beide sechs Punkte verlieren, behält das Team von Olaf Schaller seine Punktzahl. "Wir sind hier eigentlich erst am Anfang etwas aufzubauen", so Unions Trainer, "trotzdem werden wir uns mit dem Vorstand über eine neue Zielsetzung unterhalten."
Der vor der Saison angepeilte einstellige Tabellenplatz ist gesichert. Vielmehr geht der Blick in höhere Sphären. "Sportlich besteht die Zielsetzung, oben dranzubleiben", schaut Wolfgang Lattauschke bereits nach vorn, "da haben wir jetzt erst einmal drei Endspiele." Da bleibt es zwangsläufig nicht aus, dass der Fußballabteilungsleiter sich auch mit dem Thema eines möglichen Aufstiegs beschäftigt: "Die Oberliga ist wirtschaftlich für uns eine Nummer zu groß", lenkt Lattauschke allerdings ein, "da müssten einfach die finanziellen Rahmenbedingungen passen."
Auch für Olaf Schaller ist das derzeit kein Thema: "Ich weiß zwar wie es geht, in die Oberliga aufzusteigen, aber wir denken momentan nur von Spiel zu Spiel." Und da warten auf die Unioner schwierige Aufgaben. Bereits am Freitag geht es gegen Piesteritz - mit einer Niederlage könnte es da schon schnell wieder vorbei sein mit der Träumerei. "Wir dürfen jetzt nicht überheblich werden", so Schaller, "ich werde jetzt auch nicht ständig über die aktuelle Tabelle reden."
Vielmehr drückt Sandersdorfs Trainer sein Bedauern über die Situation in Dessau aus: "Es hat immer großen Spaß gemacht, dort zu spielen. Die jetzige Situation war allerdings schon lange absehbar." Wolfgang Lattauschke sieht das ähnlich: "Diese Entwicklung kam nicht überraschend, trotzdem ist es schade, dass während der Saison ein Verein auf diese Weise ausscheidet." Die Altlasten aus Oberligazeiten konnten im Laufe der vergangenen Jahre nicht abgebaut werden - ein Risiko, welches man in Sandersdorf nicht eingehen möchte. Auch der VfL 96 Halle hatte sich aus wirtschaftlichen Gründen im Jahr 2001 zum Ende der Saison freiwillig aus der Oberliga zurückgezogen.
In dieser Spielzeit haben die Saalestädter wieder einen Aufstiegsanlauf genommen und waren, vor dem Beschluss des Landesverbands auf Ausschluss des SV Dessau 05, klarer Favorit. Doch nicht erst seit den Abzug der gewonnen sechs Punkte gegen die Muldestädter betrachtete Olaf Schaller die Rückrundenentwicklung beim VfL etwas kritischer: "Halle ist im Moment etwas unruhig, dort spielt man nicht mehr so souverän wie in der Hinrunde." Ganz anders Union Sandersdorf. Nach einem eher durchwachsenen Ende der Hinrunde steigerte sich die Schaller-Elf nach der Winterpause. "Wir haben da einiges mit den Spielern geklärt", verrät der Trainer. Das scheint gefruchtet zu haben: Drei Unentschieden sowie sechs Siege stehen dabei bisher auf der Habenseite der Unioner.
Zuletzt gab es sogar fünf Erfolge in Serie - alle ohne Gegentor und viermal nur knapp mit 1:0. "Das ist ein Ergebnis, welches die Mannschaft auf dem Boden lässt", freut sich Olaf Schaller über sein Lieblingsergebnis. Sollte sein Team auch am Freitagabend gegen Piesteritz diesen Lauf aufrechterhalten können, winkt sogar die Tabellenführung. "Das ist alles Träumerei", winkt Olaf Schaller ab, "für mich sind Ergebnisse entscheidend." Und die sehen aus Sandersdorfer Sicht momentan sehr positiv aus.
Bernburg rutscht in der Tabelle um drei Plätze ab - Michael Angermann spricht von Wettbewerbsverzerrung
Askanen sind die Verlierer des Rückzuges von Dessau 05
Martin Weile ist über die neue Tabellensituation entsetzt.
BERNBURG/MZ. Die Nachricht von der Insolvenz des SV Dessau 05 und des Rückzugs der Mannschaft aus dem laufenden Spielbetrieb sorgte beim TV Askania Bernburg für das blanke Entsetzen. Die im Saisonverlauf bisher erzielten Ergebnisse der Muldestädter, die vom Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) mit 0:0 Toren und null Punkten auf den letzten Platz der Verbandsliga gesetzt wurden und damit als erster Absteiger feststehen, kommen nicht mehr in die Wertung.
Die beiden Erfolge der Saalestädter (1:0, 2:1) gegen die Dessauer zählen somit nicht. Die Askanen haben plötzlich sechs Zähler weniger auf dem Konto und rutschen in der Tabelle vom neunten auf den zwölften Platz ab. Der Vorsprung zum ersten Abstiegsplatz, den nun der SV 09 Staßfurt einnimmt, beträgt noch acht Zähler.
"Dieses Polster nach unten ist keineswegs beruhigend. Ich bin mit dieser Regelung absolut nicht einverstanden und halte sie für Wettbewerbsverzerrung. Zumindest die Resultate der Hinrunde hätten in die Tabelle einfließen können, denn auch im Kampf um den Aufstieg hat sich jetzt eine andere Konstellation ergeben", erklärte der Leiter der Abteilung Fußball beim TV Askania, Michael Angermann, der auch noch auf einen anderen Aspekt hinwies. "Die Vereine, die in Dessau spielten, hatten Fahrtkosten. Vielleicht fiel der eine oder andere Spieler verletzt aus. Und als Zugabe werden dann zu allem Überfluss noch die Punkte weggenommen."
Auch Trainer Heiko Böhler ist über die neue Situation gar nicht erbaut. "Wir sind einer der großen Verlierer des Dessauer Rückzugs. Doch diese Entscheidung liegt nicht in unserem Machtbereich. Wir können es nicht ändern und müssen damit leben", meinte der Coach, der es bedauerlich findet, dass erneut ein Fußballverein aus der Muldestadt den Bach runtergeht. "Solche Dinge passieren in unserer Region leider viel zu häufig. Mir tut es vor allem für den Dessauer Fußball sehr leid." Böhler schnürte jahrelang für den FC Anhalt die Töppen, der nach der Insolvenz im Jahr 2004 einen Neuanfang in der Kreisklasse machen musste.
Die Bernburger haben es aber in den nächsten drei Heimspielen am Samstag, 13.30 Uhr gegen Amsdorf, am 1. Mai gegen den TSV Völpke und am 8. Mai gegen den 1. FC Lok Stendal selbst in der Hand, den Vorsprung zur Abstiegszone auszubauen oder zumindest zu verteidigen. "An der Ausgangslage hat sich eigentlich nicht viel geändert. Wir müssen auf uns schauen und speziell daheim unsere Spiele ziehen", hofft Böhler, dass seiner Mannschaft und ihm eine zu spannende Schlussphase in der Meisterschaft erspart bleibt.
Der TV Askania Bernburg führt am Mittwoch, 19.30 Uhr, im Sportlerheim "Kick Inn" seine Jahreshauptversammlung durch. Dabei wird ein neuer Vorstand gewählt.
Quelle:MZ